Kritiken
Musikalisches Frühlingserwachen
KAMMERORCHESTER Werke von Mozart bis Haydn begeisterten Zuhörer in der Fürther Stadthalle.
Der Frühling hat die Pausentaste gedrückt und ist zu einem Standbild geworden, dessen Blüten nicht zur aktuellen Wetterlage passen. Da kommt es umso gelegener, dass das Fürther Kammerorchester in der Stadthalle aufspielt, um das Geräusch des Regens mit Mozart und Haydn zu Obertönen. Am Anfang dirigiert Arkadij Pevtsov, Nachfolger des 2022 verstorbenen langjährigen musikalischen Leiters Horst Günter Lott, das Ensemble in Mozarts Serenade „Eine kleine Nachtmusik".
Viel weniger bekannt ist das Konzert für Flöte, Streicher und Basso Continuo aus der Feder von Johann Joachim Quantz. Kommt der Traversflöte in manchen werken die Rolle einer virtuosen, aber atemlosen, zuweilen schrill irrlichternden Stimme zu, bleibt sie in Quantz' Konzert ruhiger, flattert und schwebt über den erdenden Rhythmen des Basso Continuo, wetteifert mit einer Violine, deren starre Töne sie umspielt. Solist Johannes Kalb malt im langsamen Teil zusammen mit den Streichern ein Klangbild in gedeckten Farben. Die Flötenstimme erhebt sich nicht hoch hinaus, klingt warm, manchmal fast erdig, rasch, aber nie hektisch.
Kraftvolle Töne
Konzertmeisterin lrina Schulika übernimmt in Johann Sebastian Bachs Konzert für Violine und Streicher in A-Moll den Solopart. Das tut sie im Allegro mit Kraft und raumgreifenden, weiten Tönen, die sich mit dem Cembalo und dem Rest des Ensembles zu einem schönen Gesamtklang verbinden. Im langsamen Satz spielt Schulika die Töne lange aus, wie etwas Süßes und Geheimes, das man nicht loslassen will, aber auch nicht festhalten kann. Das gibt der Musik eine Intensität, eine schmerzliche Schönheit, die über bloßen Wohlklang hinausgeht.
Die markanten Phrasierungen und die kräftige Spielweise im Schlusssatz hingegen zeugen von einer Art Ungeduld, der sich besser nichts in den Weg stellt. Die Solistin durcheilt den Satz mit so grimmiger Entschlossenheit, dass der Rest des Orchesters kaum mithalten kann.
Nach der Pause werden die Fürther Streicher von Bläsern der Orchestergemeinschaft Nürnberg unterstützt, steht doch Joseph Haydns Sinfonie 45 auf dem Programm. Über sie, die ,,Abschiedssinfonie", gibt es unterschiedliche Anekdoten und Deutungen, und Pevtsov gibt die bekannteste davon zuvor zum Besten: dass der Komponist, als er der den Ärger seiner Musiker weitergeben soll, die Musik sprechen lässt, statt seinen Fürsten auf dem Dienstweg über das Rumoren im Orchester zu informieren.
Wie viel Wahrheit auch immer in der Geschichte stecken mag, Unmut und Aufruhr hat Haydn ganz klar in seine 45. Sinfonie gepackt.
Aufgewühlt, düster und fast dissonant beginnt das Allegro. Die Bläser klingen hier vielleicht etwas zu massiv, wie sich überhaupt das Zusammenspiel nicht ganz exakt gestaltet und kleine Unsauberkeiten zu hören sind. Es ist Haydns vielleicht experimentellste Sinfonie, lange vor dem berühmten Ende, mit einem Adagio, das seltsam hohl und substanzlos bleibt, ohne Tiefe und Resonanz, klagend fast, zumindest nicht zufrieden.
Es ist kein Ohrenschmeichler, dieses Werk, aber das Publikum im kleinen Saal der Stadthalle bekommt am Ende etwas zu lachen: Wie die unzufriedenen Musiker in der Esterhazy-Anekdote steht auch an diesem Abend ein Instrumentalist nach dem anderen auf, stellt sein Spiel ein, und verlässt den Saal.
Das Publikum zeigt keine derartigen Fluchttendenzen, sondern applaudiert heftig und lässt sich gerne als Zugabe noch einmal den ersten Satz des Mozart geben.
Sigrun Arenz
„Es weihnachtet sehr ...“ in der Karl-Diehl-Halle
Advent Das Fürther Kammerorchester hatte zu einem Gemeinschaftskonzert mit einem Frauenprojektchor nach Röthenbach eingeladen.
Röthenbach – Sicher hat sich der verstorbene Horst Günter Lott, früherer Leiter des Fürther Kammerorchesters und der Chorgemeinschaft Schwaig, im Himmel über diesen Abend gefreut. Er hatte noch zu Lebzeiten beim Kulturamt der Stadt Röthenbach solch ein gemeinschaftliches Weihnachtskonzert unter seiner Leitung angeregt. Doch sein überraschender Tod am 1. November 2021 und die Pandemie bereiteten seinem Vorhaben erst einmal ein Ende.
Nun konnte das Konzert mit seinen Nachfolgern Susanne Wittekind („First Ladies“) und Arkadij Pevtsov (Kammerorchester Fürth) endlich stattfinden. Die Stadt stellte dafür die Karl-Diehl-Halle kostenfrei zur Verfügung.
„Es weihnachtet sehr …“ war der Titel des festlichen Konzerts unter der musikalischen Gesamtleitung von Arkadij Pevtsov. Gesanglich unterstützt wurde das Orchester von einem Frauenprojektchor, der sich aus Mitgliedern der „First Ladies“ der Chorgemeinschaft Schwaig, den Damen des Chors „Hava Nashira“ der Israelitischen Kultusgemeinde Nürnberg und dem Frauenchor „Sonnenklang“ der Landsmannschaft „Deutsche aus Russland“ aus Fürth gebildet hat.
Das begeisterte Publikum bekam Arcangelo Corellis Concerto VIII, Opus 6, Nr. 8, und Wolfgang Amadeus Mozarts Divertimento II, KV Nr. 187 in b-dur in Perfektion vom Orchester zu hören. Das Cembalo/Piano von Maxim Kulabukhov brachte die besonderen weihnachtlichen Zimbelklänge ein.
Emotionale Höhepunkte
Emotionaler Höhepunkt waren für viele Zuhörer die fünf deutschen Weihnachtslieder für Frauenchor und Streicher nach dem Orchestersatz von Pevtsov. Beginnend mit einem starken „Tochter Zion“, folgten „Alle Jahre wieder“ und „Fröhliche Weihnacht überall“. Der Weihnachtsklassiker „Stille Nacht, heilige Nacht“ klang durch die versetzt einsetzenden Stimmen wie Glocken in der Winternacht und kam so dem Ursprung des Lieds in einem Weihnachtsgottesdienst im Salzburger Land sehr nahe.
„O du fröhliche“ erfuhr eine besondere Gestaltung, weil in der zweiten Strophe der reine Sopran von Susanne Wittekind über den Chor gelegt wurde und die dritte Strophe in ein Halleluja überging.
Nach der Pause erklangen englische Weihnachtslieder, deren Texte im Programm in deutscher Sprache abgedruckt waren: „Das sind die Farben der Weihnacht, lass sie über die ganze Welt leuchten, das sind die Farben des Glückes, die Freude über die Geburt des neugeborenen Kindes“ heißt es da in „The Colors of Christmas“ für Frauenchor, Piano und Streicher. Es folgten John Rutters „Angel’s Carol“, Leroy Andersons „Suite of Carols“ für Streichorchester, Pinkzebras „Winter Lullaby“ für Frauenchor und Piano und aus „Joy to the World“ für Frauenchor und Orchester „The Angel Gabriel“, „O holy night“, „The last sleep of the Virgin“ und eben „Joy to the world“.
Als Zugabe wurde nach langem Applaus „O du fröhliche“ gemeinsam mit dem Publikum gesungen. So waren alle perfekt eingestimmt auf das bevorstehende Weihnachtsfest.
Edith Link
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